Unsere Heimat Europa

Es stimmt: Die Krise beutelt die Europäische Union. Obwohl die Ursachen und die Krisenpolitik vor allem von den Regierungen der Mitgliedstaaten zu verantworten sind, wachsen die Zweifel an der Europäischen Union. Dabei wird vergessen, dass die EU eine der besten, aufregendsten und erfolgreichsten politischen Ideen auf der ganzen Welt ist. Wir leben in einem beneidenswerten Teil der Welt. Mit unseren Erfahrungen auf dem europäischen Kontinent kann es nur um eines gehen: die Europäische Union, die heute so vielen Nationen eine Heimat gibt, weiterzubauen und auch zu entwickeln.

Nicht alles ist gut. Die Brüche zwischen Ländern und Regionen sind sichtbarer geworden. Die einseitige Sparpolitik unter der Führung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Mitgliedstaaten immer weiter auseinanderdriften lassen. Unterschiede zwischen Nord und Süd, Ost und West, die es immer gab, werden zur Belastung. Durch die schulmeisterliche Art der deutschen Politiker in der Eurokrise fühlen sich viele Europäer herabgesetzt. Die Politik aus Berlin lässt echtes Gefühl und Überzeugung für das Gute und die Erfolge des gemeinsamen Weges nicht mehr aufkommen.

Ich möchte deshalb in der Wahlkampagne der Europäischen Grünen der anderen deutschen Stimme Gehör verschaffen. Es stimmt: Bei uns in Deutschland gibt es Dinge, die für andere EU-Länder interessant sein können. Die Energiewende oder die duale Ausbildung sind nur zwei Beispiele. Aber man muss den anderen die Chance geben, daraus europäische Projekte zu machen. Und auch Deutsche müssen offen dafür sein, von großen Erfolgen der anderen zu lernen. Mindestlöhne, Schulen, Hochwasserschutz oder Gesundheitssysteme fallen mir dazu ein.

Die Überwindung der nationalen Begrenztheit, die Idee des Föderalismus, das sind unsere Wegweiser in der europäischen Politik. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in diese europäische Politik ist der wichtigste Stoff dafür. Die EU muss Freiheit und Sicherheit garantieren. Aber das große europäische Versprechen auf ein besseres Leben muss auch wieder gelten. Die Menschen – nicht nur in den Krisenländern – müssen an die bessere gemeinsame Zukunft glauben können. Das ist die Basis von Vertrauen in die Europäische Union.

Ich habe genug von der Inflation von Gipfeltreffen in Brüssel, bei denen Entscheidungen nur verschoben werden und die wichtigste Frage ist, ob die deutsche Bundeskanzlerin oder der französische Präsident gewonnen oder verloren hat. Wir brauchen nicht noch mehr Sitzungen der Eurogruppe oder gar ein exklusives Parlament nur für die Euroländer. Wir brauchen starke gemeinschaftliche Institutionen und die umfassende demokratische Kontrolle und Mitsprache des EU-Parlaments.

Einfach zu erreichen ist das alles nicht. Vieles wird nicht ohne Vertragsänderungen gehen. Aber diese sollen nicht im Brüsseler Raumschiff getroffen werden. Ich wünsche mir nach den Europawahlen einen demokratischen Konvent, der notwendige Änderungen öffentlich diskutiert. Beteiligung und Transparenz sind dabei unverzichtbar. Nur so kann Brüssel, kann die europäische Demokratie verstanden und lebendig werden. Wir alle in Brüssel tragen dafür Verantwortung. Die Erfahrung zeigt, dass die EU immer wieder durch schwierige Zeiten gelenkt werden musste. Wer zurückdenkt an unseren Kontinent im letzten Jahrhundert oder andere Teile der Welt ansieht, weiß: Es lohnt sich. Europa braucht weiter viel Leidenschaft und aber auch Geduld!

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Wie kommt der Euro, wie die EU aus der Krise?

Es geht an die Substanz. Die einseitige Sparpolitik hat die Krisenländer in eine Abwärtsspirale geführt. Während meiner Besuche in Portugal, Spanien und Griechenland habe ich gesehen, was falsch läuft. Das letzte Alarmsignal war die Schließung des Staatssenders ERT in Griechenland im Juni 2013, um die erforderliche Zahl für Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst zu erreichen.

Eine durchgehende Erfahrung: Die Menschen in den sogenannten Krisenländern fühlen sich von der EU – trotz Hilfspaketen – im Stich gelassen. Gleichzeitig wächst in anderen Staaten – auch in Deutschland – das Gefühl, für eine verantwortungslose Politik in Griechenland und anderswo bezahlen zu müssen. Wir in Brüssel werden gerne von beiden Seiten verantwortlich gemacht. Dabei haben wir im EU-Parlament bei der Krisenstrategie kaum Mitsprache. Das verhindern die Regierungen, auch die in Berlin. Die Stabilitätsprogramme werden ohne wirkliche demokratische Kontrolle und Mitentscheidung des EU-Parlaments getroffen.

Auch ich weiß, dass wir keine Zaubermittel gegen die schwierige Lage haben, sondern dass wir längere Wege vor uns haben. Europäische Solidarität untereinander ist dabei genauso wichtig wie die Solidität der Haushalte der Staaten, die gerade durch die Bankenrettung zusätzliche Lasten hatten. Viele Menschen, die ich zum Beispiel in Griechenland getroffen habe, wollen einen Neuanfang in und für ihren Staat. Aber sie müssen die Möglichkeit dazu bekommen. Griechenland ist nur eines der Länder, in denen es Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft braucht. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit, die gerade Jugendliche besonders hart trifft, brauchen wir Mittel dafür. Aber auch auf die Richtung kommt es an: Nachhaltige wirtschaftliche Erholung erfordert Klimaschutz und Ressourceneffizienz. Die Energiewende ist in allen Krisenländern ein guter Weg: Kosten für teures Öl werden gespart, Arbeit geschaffen und das Klima geschützt.

Bisher stand die Verschuldung der Staaten im Mittelpunkt der Krisenpolitik. An die Banken, die gigantische Risiken bergen, hat man sich nicht herangewagt. Die EU muss den Finanzmarkt neu und robust regeln, um einer weiteren Banken- und Finanzkrise vorzubeugen. Bisher kommen wir dabei nur im Schneckentempo vorwärts. Die Bankenlobby hat mehr Einfluss als etwa Verbraucherschützer. Es darf nicht sein, dass dubiose Derivate wieder gehandelt werden wie vor der Krise – ohne eine entsprechende Risikovorsorge der Banken.

Die Aufsicht der Europäischen Banken wurde erst jetzt, fünf Jahre nach dem Bankencrash 2008, beschlossen. Gegen eine Wiederholung fehlen immer noch europäische Regeln zur Sicherung der Einlagen der Banken.
Die Möglichkeit, marode Banken abzuwickeln, ist unverzichtbar, damit nicht wieder die Bürgerinnen und Bürger als Gläubiger haften müssen. Und ich stehe auch weiter hinter der Idee einer europäischen Ratingagentur.
Die versprochene Finanztransaktionssteuer muss in allen EU-Staaten eingeführt werden. Und die Einnahmen der Staaten werden gesünder, wenn internationale Unternehmen ihre Steuern da bezahlen, wo sie Gewinne machen. Dafür muss der Steuerwettbewerb in der EU beendet werden.
Außerdem müssen wir endlich dafür sorgen, dass Steueroasen ausgetrocknet werden, sodass alle Bürgerinnen und Bürger zur Finanzierung des Gemeinwesens und zum Schuldenabbau beitragen und dies nicht nur an denjenigen hängen bleibt, die ehrlich ihre Steuern bezahlen.

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Energie- und Klimapolitik

Seit fast zehn Jahren bin ich nun im EU-Parlament in Brüssel, aber so etwas war noch nie passiert: im Juli 2013 blockiert die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einen bereits zwischen Ratspräsidentschaft, dem EU-Parlament und der -Kommission ausgehandelten Kompromiss zu neuen CO2-Grenzwerten von Autos indem sie persönlich zum Hörer greift und andere Regierungschefs um Unterstützung der Blockade bittet. Ungeheuerlich! Die Interessen der Autohersteller wie BMW zählen offenkundig mehr als Klimaschutzziele. Merkels Übergriff deckt auf, dass es den gerne beschworenen Konsens zum Klimaschutz nicht gibt.

Eigentlich war mit dem Klimapaket von 2008 ein guter Anfang gemacht: Damals verpflichteten sich die EU-Mitgliedsstaaten, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 20 Prozent zu verringern, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent zu erhöhen und den Energieverbrauch um 20 Prozent zu senken. Damals ausgerechnet unter der Führung von Angela Merkel.

Ausgerechnet für das Ziel, die Emissionen zu senken, fehlt nicht nur für die Autoindustrie und nicht allein Angela Merkel aller Ehrgeiz. Bereits heute hat die EU – nicht zuletzt wegen der Wirtschaftskrise – ihr Ziel für 2020 fast erreicht. Das Überangebot an Emissionszertifikaten im Markt macht den Emissionshandel – eines der wichtigsten Klimainstrumente der EU – wirkungslos.

Das muss sich ändern! Bisher verhindern konservativ-liberale Mehrheiten im EU-Parlament und im Europäischen Rat die dringend notwendige Weiterentwicklung der europäischen Klima- und Energiepolitik. Das Veto von Merkel zugunsten der Spritschlucker ist dafür nur ein Beispiel.

Ich war bei vielen internationalen Klimakonferenzen dabei. 2015 in Paris findet nun das nächste entscheidende Treffen statt. Deshalb gilt es gerade jetzt, in Brüssel den Druck für einen Erfolg zu erhöhen. Wir brauchen eine unverzügliche Erhöhung des EU-Klimaziels für 2020 auf mindestens 30 Prozent, verbindliche Ziele für 2030 sowie eine schnelle und umfassende Reform des Emissionshandels. Nur so haben wir eine Chance, dass die anderen Staaten mitmachen, dass wir bis 2015 ein ehrgeiziges, verbindliches internationales Klimaabkommen erreichen, dass eine Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad Celsius noch möglich ist. Wie dringend wir handeln müssen, zeigen immer wieder die schweren Flutkatastrophen, die auch an europäischen Strömen und Flüssen immer häufiger verheerenden Schaden anrichten.

Dabei können wir schnell mehr tun. Wir brauchen eine europäische Energiewende. Es stimmt: In Deutschland krankt sie. Das liegt aber nicht an der Schwäche der erneuerbaren Technologien. Das liegt am fehlenden Willen der deutschen Regierung, die Energiewende zu einem Erfolg zu machen. Wir müssen dem Umbau der Energiewirtschaft neuen Schwung geben, wir müssen weg vom Energiemix aus Kohle und Atomenergie – und zwar überall in der EU.

Die effizientere Nutzung von Energie und der Ausbau der Erneuerbaren bringen schließlich auch enorme Chancen nicht nur für die Umwelt: Wir können eine bezahlbare, verlässliche und umweltverträgliche Energieversorgung für alle EU-Bürger erreichen. Die europäische Energiewende kann der Wirtschaft neuen Schwung geben. Sie kann uns von Gasprom und den Ölscheichs unabhängiger machen. Die Energiewende kann ein neues europäisches Identifikationsprojekt sein. Ich schlage deshalb einen neuen Energie-Pakt vor – ähnlich dem einstigen Vertrag über Kohle und Stahl, über den die Europäische Union aufgebaut wurde. Der Ausbau der Erneuerbaren, die systematische Einsparung von Energie, die Erschließung der großen Effizienzpotentiale bringen nicht nur Innovation und Arbeit in der europäischen Wirtschaft und Industrie. Sie sind ein Teil des Weges in eine nachhaltige Art des Wirtschaftens. Ich sehe die Grünen als diejenigen, die diesen Weg weiter bereiten müssen. Das Verständnis dafür bei allen Bürgerinnen und Bürgern weiter zu schaffen, ist mir genauso ernst wie die Verankerung ehrgeiziger Klimaziele.

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Atomkraft nein danke!

Spätestens seit der Katastrophe von Fukushima will die Mehrheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger den Ausstieg aus der Hochrisikotechnologie Atomkraft. Die Reaktoren von Fukushima sind mehr als zwei Jahre nach der Katastrophe eine tickende Zeitbombe. Jedes mittlere Erdbeben könnte die Lage verschlimmern. Tag für Tag wird Radioaktivität freigesetzt.

Schon bei meinem Besuch in Japan 2012 hat mich erschreckt, wie die japanische Regierung und die Atomwirtschaft versuchen, die gigantischen Probleme herunterzuspielen. Bisher toleriert die Internationale Gemeinschaft die gefährliche Lüge, Fukushima sei unter Kontrolle. Die Entscheidung, die Olympischen Spiele in Tokio auszutragen, muss dazu führen, dass die Verharmlosung aufhört. Mit Experten aus aller Welt setze ich mich für eine internationale Task Force Fukushima ein, die alles daransetzen muss, die Eindämmung der Katastrophe und den Schutz der Menschen dort zu verbessern. Fukushima und Tschernobyl sind zwei furchtbare Mahnungen: Atomkraft ist gefährlich und kommt uns teuer zu stehen. Atommüll strahlt ewig und ein sicheres Endlager ist bis heute nirgends auf der Welt in Sicht.

Seit mehr als drei Jahrzehnten kämpfe ich deshalb in der Anti-Atom-Bewegung für den Ausstieg aus der Atomenergie. Wir sind dank des Engagements vieler Bürgerinnen und Bürger weit gekommen. In der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten werden entweder gar keine Atomkraftwerke betrieben oder es gibt einen Ausstiegsbeschluss. Nationale Ausstiegsbeschlüsse sind gut. Aber Ausstieg und Energiewende müssen europaweit verankert werden.

Großbritannien und die Tschechische Republik planen zurzeit, neue Atomkraftwerke zu bauen. In Ungarn soll die Laufzeit von altersschwachen Kraftwerken verlängert werden. In Brüssel soll dabei geholfen werden: Die EU-Kommission plant zukünftig staatliche Subventionen für Atomkraft als angeblich „klimafreundlich“ zuzulassen. Zurzeit lassen das die europäischen Wettbewerbsregeln nicht zu. Und das muss auch so bleiben.

Die Atomindustrie hat schon viel zu lange zahlreiche Wettbewerbsvorteile. Die Betreiber von AKWs müssen ihre Anlagen nicht ausreichend gegen einen Atomunfall versichern. Die hohen Stilllegungs- und Endlagerungskosten, die erst in der Zukunft anfallen, werden durch Rückstellungsfonds der Atomwirtschaft längst nicht gedeckt. Europaweite Regeln für die Haftung nach einem Atomunfall und für öffentlich-rechtliche Fonds für die Stilllegung und den Rückbau von Kraftwerken sind dringend nötig. Die Konzerne müssen endlich die finanzielle Verantwortung für die von ihnen verursachten Probleme übernehmen.

Die AKW-Stresstests der EU sind ein gefährliches Alibi für alte und riskante Atomkraftwerke. Viele Risiken wie Materialermüdung, menschliches Versagen oder die Folgen eines Flugzeugabsturzes bleiben ungeprüft. Solange Atomkraftwerke betrieben werden, braucht die EU eine robuste Atomsicherheitsrichtlinie mit verbindlichen Standards nach heutigem Stand von Wissenschaft und Technik. Risikoreiche Altmeiler, Reaktoren in Erdbebengebieten oder ohne sekundäre Schutzhülle müssen sofort abgeschaltet werden.

Auch für den Atommüll brauchen wir klare europäische Regeln mit verbindlichen höchsten Standards. Die Verschiebung in Drittstaaten muss verboten werden.

In Deutschland wird gerade ein Neuanfang bei der Endlagersuche versucht. Dabei muss Gorleben endgültig als Standort aussortiert werden. Auch in anderen europäischen Ländern müssen Verfahren beginnen, in denen versucht wird, eine verantwortbare Lagerung vorzubereiten. Dabei müssen die Bürgerinnen und Bürger starken Einfluss und Rechte haben.

Bei allem Bemühen um mehr Sicherheit: Der beste Weg dahin ist die Stilllegung der Atomkraftwerke!

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Bürgerrechte in der schönen neuen Welt

Edward Snowden hat nicht nur Preise von Menschenrechtsorganisationen verdient. Der ehemalige Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes NSA hat die systematische Verletzung unserer Grundrechte aufgedeckt. Dafür sollten wir Europäer ihm nicht nur in wohlfeilen Worten danken. Wir müssen ihm helfen. Stattdessen lassen wir ihn in seinem unfreiwilligen Asyl in Russland hängen.
Die Empörung in Europa und gerade auch in Brüssel war groß über die Überwachung durch Geheimdienste. Aber was ist davon übrig geblieben? Nicht viel.

Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht auf den Schutz ihrer Daten und ihrer Privatsphäre. So steht es in den Verträgen der Europäischen Union und in ihrer Grundrechtecharta. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass diese Rechte nicht nur auf dem Papier bestehen.
Im EU-Parlament wird gerade an einer Reform der europäischen Datenschutzverordnung gearbeitet. Besser gesagt, es wird um diese Verordnung gerungen. Edward Snowdens Enthüllungen kamen gerade rechtzeitig. Denn erst im Lichte von Prism und Tempora sind verlässliche Regeln zum Schutz des Privaten wieder ein Thema: Welche Daten Netzanbieter nicht weitergeben dürfen, die Einwilligung des Nutzers vor Weitergabe von Daten, das „Recht auf Vergessen“, also auf das Entfernen von Daten aus dem Netz, sind umstrittene Forderungen der Grünen. Und erst recht umstritten sind harte Geldstrafen gegen die Anbieter bei Verstößen.

Mir war auch vor den Veröffentlichungen von Edward Snowden klar, dass eine E-Mail eben eher einer Postkarte gleicht als einem verschlossenen Brief. Aber erst jetzt fange ich an, meine virtuelle Post zu verschlüsseln. Jeder trägt ein Stück weit selbst Verantwortung für seine Daten im Netz. Mir ist wichtig, dass jedem bewusst wird, dass Datenarmut der wohl beste Schutz für das Private ist.

Und größere Konsequenzen aus Prism und Tempora? Die EU hat eine Chance, auch international für besseren Datenschutz zu sorgen. Gerade verhandelt die EU-Kommission im Auftrag der Regierungen der Mitgliedstaaten über ein Freihandelsabkommen mit den USA. Ich bin davon überzeugt, dass zuerst über internationale Standards des Datenschutzes verhandelt werden sollte. Gegen den Abschluss von TTIP spricht vieles. Ohne Respekt vor den Grundrechten durch Sicherheitsbehörden und Geheimdienste darf es das Abkommen nicht geben. Das ist meine Forderung an EU-Kommissar De Gucht und die anderen Brüsseler Unterhändler!

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Nachhaltige Landwirtschaft und gutes Essen

Gerne werfen unsere politischen Gegner den Grünen vor, sie wollten alles, was Spaß macht, verbieten. Ich kann das nicht nachvollziehen. Wenn ich mich zum Beispiel für weniger Auto und mehr Fahrrad einsetze, dann mache ich das natürlich, weil es Umwelt und Klima guttut, aber auch, weil Fahrradfahren einfach mehr Spaß macht. Mit dem Essen ist es genauso: Gegen ein gutes Steak habe ich nichts einzuwenden – aber nicht jeden Tag. Und vor allem mag ich nicht, wenn es vollgepumpt ist mit Antibiotika und Genfutter. In den vergangenen Jahren haben wiederholt Lebensmittelskandale gezeigt, dass unser System der Fleischproduktion in die falsche Richtung geht. Je billiger Fleisch gehandelt wird, desto weniger zählen Tierschutz, Gesundheit und Qualität. Produktionsketten, die über viele Stationen in etlichen Ländern gehen, befördern Betrug und schlechte Qualität.

Auch deshalb will ich eine andere Agrarpolitik bei uns in Europa. Wir müssen die Abhängigkeit von Futtermittelimporten, Pestiziden und Antibiotika systematisch abbauen. Wir müssen bäuerliche Landwirtschaft fördern anstatt Agrarindustrie. Wir wollen eine Agrarpolitik, die Bauern und Bürgern die Entscheidung für nachhaltige Bewirtschaftung und bewusste Ernährung leicht macht. Die ökologische Landwirtschaft ist dabei Vorreiter. Sie darf aber nicht länger ein Privileg für wenige sein.

Aktuell bekommen 20 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe 80 Prozent aller Direktzahlungen aus Brüssel. In den Mitgliedstaaten der EU gibt es eine Handvoll Großbetriebe, die mehr als 300.000 Euro Subventionen im Jahr beziehen. Wir Grüne im EU-Parlament hatten uns deshalb in der aktuellen Agrarreform für vernünftige Obergrenzen eingesetzt, konnten uns damit aber leider nicht durchsetzen. Es bleibt nun in der Hand der Mitgliedstaaten, Obergrenzen einzuziehen.

Egal, ob ich mit Milchbauern oder Imkern spreche: Alle sind sich einig, dass wir Vielfalt statt Monokulturen brauchen. Fruchtfolgen, Grünland, Blühstreifen und Hecken sind gut für gesunde Böden. Sie sind auch gut gegen zu viele Pestizide, Kunstdünger und Trockenheit. Und Treibhausgase werden drastisch reduziert. Unsere Kühe brauchen Weiden und heimische Eiweißpflanzen, nicht importiertes Gen-Soja. Wir müssen weg von industriellen Massenställen, die überall aus dem Boden gestampft werden.

Deshalb sehe ich auch die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA so kritisch. Kann unsere bäuerliche Landwirtschaft der Megakonkurrenz aus Amerika überhaupt standhalten? Europäische Regeln zum Beispiel für Futtermittel, für den Einsatz von Gentechnik und die Verwendung von Antibiotika dürfen auf keinen Fall verwässert werden. Erst die Standards, dann die Verhandlungen!

Für eine Wende in der Landwirtschaft braucht es einen langen Atem und den Willen nicht nur in der Politik. Bauern und Bäuerinnen, aber auch wir als Lebensmittelkunden können das nur zusammen erreichen.

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Menschenrechte und Demokratie

„Zentren der Gastfreundschaft“ nennt die griechische Regierung ihre Flüchtlingslager. Dieser Begriff zeigt den Zynismus der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik. Mit Gastfreundschaft haben die Sammel- und Abschiebelager in Griechenland, aber auch anderswo, nichts zu tun! Eingesperrte Jugendliche, getrennt von ihren Familien, ohne Schule, ohne medizinische Versorgung. Menschen, die nichts verbrochen haben außer ihrer Flucht, werden wie Kriminelle behandelt, auf unbestimmte Zeit eingesperrt. Sie haben keinen Rechtsbeistand, leiden an Hunger und Dreck. Die EU verrät in diesen Lagern entlang des Mittelmeeres ihre eigenen Werte.

Das im Juni 2013 von einer konservativen Mehrheit verabschiedete neue EU-Asylsystem ist eine herbe Enttäuschung: Von unserer Forderung nach einem einheitlichen Schutz für Flüchtlinge ist nichts übrig geblieben. Wir brauchen aber dringend einheitliche verlässliche Schutzstandards. Wer Schutz braucht, muss wieder eine echte Chance auf Asyl in der Europäischen Union haben. Die Dublin-II-Regelung schreibt vor, dass Asyl nur in dem Land beantragt werden darf, über das der Flüchtling in die EU eingereist ist. Deshalb und wegen seiner geografischen Lage hat Griechenland so viele Asylbewerber. Sie leben illegal oder in den Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen. Wohlhabende Länder des Nordens, auch Deutschland, halten die Flüchtlinge fern. Für das Elend in Griechenland oder auf Lampedusa und für die vielen toten Flüchtlinge im Mittelmeer sind sie trotzdem verantwortlich.

Die EU muss endlich humanitäre Verantwortung übernehmen, wie sie unserer Stärke und unserem Wohlstand entspricht, und muss internationales Recht respektieren. Die Massenflucht aus Syrien mahnt uns Tag für Tag.

Die EU muss – leider – auch nach innen die Grundrechte stärken. Zweifelhafte Verfassungsänderungen, Missachtung der LGBT-Rechte, die andauernde Diskriminierung von Roma oder der Abbau der Pressefreiheit sind in etlichen Ländern der EU wachsende Probleme. Zu oft werden diese Zustände in Brüssel gedeckt, weil die Mitglieder der großen Volksparteien zusammenhalten.

Dagegen helfen würde auch mehr Druck aus der Bevölkerung. Wir brauchen in den europäischen Institutionen mehr Transparenz und mehr Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung. Die europäische Bürgerinitiative ist ein gutes Instrument, mit dem jeder ein Stück Einmischung in der Hand hat.

Bei all der Arbeit im Inneren: Die EU muss sich auch in der unmittelbaren Nachbarschaft für Menschenrechte und Demokratie einsetzen. Wiederholt bin ich in die Ukraine gereist. Politische Justiz wie im Fall Timoschenko darf nicht geduldet werden. Dasselbe gilt für Russland im Fall Chodorkowski, für die Frauen von Pussy Riot oder den Blogger Nawalny. Die Entwicklungen nicht nur im Osten der EU, sondern auch im Süden nach dem schnellen Ende dessen, was wir arabischen Frühling nannten, verlangen europäische Einmischung. Demokratie und Bürgerrechte müssen in den Ländern selber errungen werden. Aber wir können und müssen dabei unterstützen. Wir können für bessere wirtschaftliche Entwicklung und Bildung sorgen. Wir müssen weniger Waffen und mehr Chancen exportieren und die Demokraten mit einem besseren Asyl- und Einwanderungsrecht stützen. Viel zu lange hat die EU aus Eigennutz mit vielen Diktaturen bedenkenlos paktiert.

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The Greens Bündnis 90 / Die Grünen European Greens